Von Lorenz Strauch.
Am 17. November 2021 hat die Europäische Kommission in Umsetzung der Vorgaben aus dem European Green Deal drei umweltbezogene Initiativen vorgelegt, darunter die neue EU-Bodenstrategie für 2030. Damit reagiert sie auf die europaweit fortschreitende Bodenverschlechterung (Degradation), die nicht nur für sich genommen ein gravierendes Problem darstellt, sondern auch das Erreichen anderer Umwelt- und Klimaziele der Europäischen Union zu torpedieren droht. Die aktuelle Initiative, bei der es sich um eine Neuauflage der „Thematischen Strategie für den Bodenschutz“ aus dem Jahr 2006 handelt, stellt einen weiteren Versuch dar, den Schutz des dritten Umweltmediums stärker zu europäisieren – ein Vorhaben, das in der Vergangenheit regelmäßig auf starke nationale Vorbehalte gestoßen ist.
Einleitung: Zustand der Böden in Europa
Die Böden auf dem Gebiet der Europäischen Union verschlechtern sich – einer global zu beobachtenden Abwärtsspirale entsprechend – in zunehmendem Maße. Aus dem Jahresbericht der Europäischen Umweltagentur „Die Umwelt in Europa – Zustand und Ausblick 2020“ geht diesbezüglich hervor, dass innerhalb der vergangenen fünfzehn Jahre durchweg negative Entwicklungen dominierten und auch die Aussichten für die kommende Zeit als „größtenteils nicht gut“ bewertet werden. Bis zu 70 % aller europäischen Böden sind mittlerweile von Degradation betroffen, d.h. ihre Ökosystemleistungen sind teilweise erheblich vermindert oder versagen gar völlig. Die Europäische Kommission hat die für diesen Kontinent acht relevantesten Gefahrenlagen identifiziert: Erosion, sinkender Gehalt an organischen Stoffen, Verschmutzung, Versalzung, Verdichtung, Verarmung der biologischen Vielfalt der Böden, Versiegelung sowie Überschwemmungen/Erdrutsche (siehe KOM(2002) 179 endg., S. 4). Auch die Wüstenbildung (Desertifikation) stellt eine wachsende Bedrohung innerhalb der Europäischen Union dar, wie der Europäische Rechnungshof in seinem Sonderbericht aus 2018 zu bedenken gibt.
Die Verschlechterung der Bodenqualität ist an sich zwar auch ein natürliches Phänomen, lässt sich aber jedenfalls in ihren aktuellen Ausmaßen auf anthropogene Handlungs- und Siedlungsmuster zurückführen, etwa intensive Land- und Forstwirtschaft, Industrie, Tourismus, Urbanisierung etc. Abstrakt betrachtet besteht das Hauptproblem in der stetigen Übernutzung des Bodens, welcher gleichzeitig eine Vielzahl unterschiedlicher (und tendenziell steigender) Bedürfnisse einer wachsenden Bevölkerung befriedigen muss. Mit anderen Worten: Angesichts der mannigfaltigen Nutzungspotenziale bei regelmäßiger Nutzungskonkurrenz entsteht ein immenser Nutzungsdruck. Und Europa ist eine der am intensivsten genutzten Landmassen überhaupt. Nirgendwo sonst ist einer Studie der Europäischen Umweltagentur zufolge der Anteil an Landschaftszerschneidung aufgrund von Siedlungen und Infrastrukturen (z.B. Autobahnen und Schienennetze) höher. Seit dem Jahr 2000 wurde in Europa eine Fläche ungefähr der Größe Sloweniens versiegelt, also mit einer undurchlässigen Schicht aus Beton, Asphalt o.ä. bedeckt. Mit der übermäßigen quantitativen Inanspruchnahme und/oder qualitativen Beeinträchtigung von Böden geht jedoch auf mittel- bis langfristige Sicht unweigerlich der Verlust elementarer Bodenfunktionen einher: Filterung von Trinkwasser, Produktion des Großteils (über 90 Prozent) unserer Nahrungs- und Futtermittel, Versorgung mit mineralischen Rohstoffen sowie – mittelbar über die Pflanzen – mit Textilien, Holzprodukten etc.
Das Umweltproblem der fortschreitenden Bodenzerstörung ist dabei mitnichten „nur“ aus der ökologischen Perspektive bedeutsam, sondern weist auch ökonomisch eine hohe Relevanz auf: Die infolge der Degradation ausfallenden bodenbezogenen Ökosystemleistungen kosten die Europäische Union derzeit bereits jährlich schätzungsweise 38 Mrd. EUR. Allein das Problem der Erosion, von dem ca. ein Viertel sämtlicher agrarisch genutzter Flächen in der EU betroffen ist, verursacht pro Jahr einen Verlust an landwirtschaftlicher Produktivität in Höhe von 1,25 Mrd. EUR (siehe hierzu Panagos et al., Land Degradation&Development 2018/3, S. 471).
Bodenschutz als blinder Fleck im Recht der Europäischen Union
Widersprüchlich zur überragenden Bedeutung der Böden zählt ihr Schutz auf europäischer Ebene (und überhaupt) zu den notorisch vernachlässigten Umweltbelangen. Insbesondere existiert nach wie vor kein dezidierter EU-Rechtsakt zu dieser Angelegenheit. Dass ein solcher jedenfalls nicht von vornherein ausgeschlossen ist, zeigt ein Blick in den allgemeinen umweltpolitischen Zuständigkeitstitel des Art. 192 AEUV, wo unter Abs. 2 lit. b Spstr. 3 ausdrücklich auf den Boden Bezug genommen wird. Indem die Vorschrift „Maßnahmen, die die Bodennutzung […] berühren“ in Abweichung zu Abs. 1 einem besonderen Gesetzgebungsverfahren unterwirft, bringt sie zwar deren erhöhte Sensibilität aufgrund des engen Bezugs zur mitgliedstaatlichen Souveränität zum Ausdruck, bekräftigt jedoch im Umkehrschluss gleichfalls, dass der Boden als Regelungsmaterie keineswegs per se der unionalen Rechtsetzungskompetenz entzogen ist.
Freilich ist der Boden auch ohne eigenen Rechtsakt auf europäischer Ebene nicht gänzlich ungeschützt. Angesichts der vielfach bestehenden Funktions- und Wirkungszusammenhänge zwischen dem Boden und anderen Umweltmedien, -sektoren und/oder -schutzgütern erfolgt eine faktisch-mittelbare Mitberücksichtigung über thematisch verwandte Regelungskomplexe. Dies gilt etwa in umweltmedialer Hinsicht für die Wasserrahmenrichtlinie oder die Luftqualitätsrichtlinie. Und auch sonst finden sich zahlreiche Vorschriften, die konkrete Anforderungen in Bezug auf spezifische Aspekte des Bodenschutzes enthalten: Die FFH-Richtlinie gewährleistet für ausgewiesene Gebiete einen Flächenschutz. Die Industrieemissionsrichtlinie beinhaltet eine Sanierungspflicht, da sie verlangt, dass Betriebsgelände, auf denen genehmigungsbedürftige Anlagen betrieben werden, nach deren Stilllegung grundsätzlich in den Ausgangszustand zurückzuführen sind. Auch Vorschriften des Stoffrechts, z.B. der REACH-VO oder der Pflanzenschutz- und Biozid-VO, wirken sich positiv auf den Zustand des Bodens aus, ebenso wie allgemein z.B. die Umwelthaftungsrichtlinie.
Abseits der unionalen Umweltpolitik sind naturgemäß auch die Regelungen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) bedeutsam, da zu den landwirtschaftlichen Erzeugnissen selbstverständlich auch die Erzeugnisse des Bodens zählen (siehe Art. 38 Abs. 2 S. 3 AEUV). Am 1. Juni 2018 hat die Europäische Kommission Vorschläge für die grundlegende Reform der GAP vorgelegt, mit dem Ziel, den Agrarsektor im Einklang mit den Vorgaben aus dem Green Deal (insb. mit der Farm-to-Fork– und der Biodiversitätsstrategie) nachhaltiger zu gestalten. Speziell zum Bodenschutz ist etwa die Einfügung des Art. 58a Abs. 4 lit. c in die VO (EU) 1305/2013 zu nennen, wonach ein Anteil von mindestens 37 % der zusätzlichen Mittel für die Entwicklung des ländlichen Raums vorbehalten ist, unter anderem für die Bodenerhaltung, einschließlich der Verbesserung der Bodenfruchtbarkeit durch Kohlenstoffbindung. Ein guter Schritt auf dem Weg hin zu einer stärker am Nachhaltigkeitsgrundsatz orientierten GAP ist das im Februar 2020 gestartete Forschungsprogramm Healthy Agricultural Soils, in dessen Rahmen in den nächsten Jahren 26 Partner aus 24 Mitgliedstaaten an einem klimafreundlicheren, nachhaltigeren Management von landwirtschaftlichen Böden arbeiten sollen.
Thematisch auf der Schnittstelle zwischen Umwelt- und Agrarrecht einzuordnen ist die „Richtlinie 86/278/EWG über den Schutz der Umwelt und insbesondere der Böden bei der Verwendung von Klärschlamm in der Landwirtschaft“ (kurz: Klärschlammrichtlinie). Es handelt sich hierbei um ein äußerst seltenes (und zudem frühes) Beispiel eines Unionsrechtsakts, der explizit auf den Bodenschutz abstellt. Abgesehen davon ist der Boden im Acquis der EU bislang unterrepräsentiert. Und die Bestimmungen des übrigen (sachnahen) umweltbezogenen Sekundärrechts vermögen dieses Defizit aufgrund spezifisch sektoraler Zielsetzungen und entsprechender Anwendungsbereiche selbst bei vollständiger Anwendung nicht adäquat zu kompensieren. Der europäische Bodenschutz ist mithin fragmentarisch und insgesamt unvollständig. Nicht alle Böden und erst recht nicht alle bestehenden Bodengefahren werden abgedeckt: Drei der acht durch die Kommission speziell für das Gebiet der Europäischen Union identifizierten großen Bedrohungslagen, namentlich Verdichtung, Versalzung und Versiegelung, werden in den bestehenden Sekundärrechtsakten des europäischen Umweltrechts gar nicht adressiert. Andere Probleme hingegen, etwa die Erosion, der Rückgang an organischer Substanz sowie biologischer Vielfalt im Boden oder der Schadstoffeintrag, mögen in der bestehenden Gesetzgebung grundsätzlich vorkommen, jedoch legen nur die wenigsten Richtlinien verbindliche Reduktionsziele hinsichtlich dieser Gefährdungen fest. Wenn also nach dem soeben Gesagten der Bodenschutz auf Unionsebene zwar nicht völlig inexistent ist, so bleibt dennoch festzuhalten, dass nahezu alle existenten Regelwerke auf den Schutz anderer Umweltgüter zugeschnitten sind und der Boden grundsätzlich bloß „zufällig“ mitprofitiert, sofern eine hinreichende Sachnähe besteht.
Rückblick: Erste Bodenschutzbemühungen auf EU-Ebene und der Leidensweg des BRRL-Entwurfs
Am 24. Januar 2001 regte die Europäische Kommission in ihrer Mitteilung zum sechsten Umweltaktionsprogramm (UAP) erstmalig die Einführung einer Bodenschutzstrategie an. In Umsetzung dieses Vorschlags wurde anderthalb Jahre später im korrespondierenden Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates die „Förderung einer nachhaltigen Bodennutzung“ als eines der prioritären Ziele definiert (Art. 6 Abs. 1), zu dessen Erreichung eine „thematische Strategie für den Bodenschutz“ zu entwickeln sei (Art. 6 Abs. 2 lit. c). Ein paar Monate zuvor hatte die Kommission in einer weiteren Mitteilung („Hin zu einer spezifischen Bodenschutzstrategie“) bereits einen detaillierteren Überblick über die relevanten Problemfelder mitsamt möglichen Lösungsansätzen gegeben sowie einen groben Fahrplan für das anvisierte Vorgehen skizziert. Auf dieser Grundlage befand der Rat der Europäischen Union auf seiner Sitzung am 22. Juni 2002, dass ein Tätigwerden im Bereich des Bodenschutzes grundsätzlich erforderlich sei. Auch das Europäische Parlament gab seine Zustimmung zum vorgeschlagenen Konzept. Die nachfolgende Entwicklungsphase, in deren Verlauf verschiedene Arbeitsgruppen einzelne Themenkomplexe erforschten und zudem mittels öffentlicher Internetkonsultation die fachliche Expertise von über 400 Vertreter:innen aus Wissenschaft und Praxis eingeholt wurde, fand schließlich im September 2006 ihr Ende, als die Kommission das Bündel der drei konkreten Auftragsarbeiten vorlegte: eine abschließende Mitteilung über die Thematische Strategie für den Bodenschutz, einen konkreten Gesetzgebungsvorschlag für eine Boden-Rahmenrichtlinie (BRRL) sowie eine Folgenabschätzung. Im europäischen Gesetzgebungsverfahren war der Richtlinienentwurf Gegenstand äußerst kontroverser Diskussionen. Nach etlichen Änderungsanträgen gab das Europäische Parlament schließlich seine grundsätzliche Zustimmung, und auch seitens des Ausschusses der Regionen sowie des Wirtschafts- und Sozialausschusses ergingen befürwortende Stellungnahmen. Am 20. Dezember 2007 kam es sodann zur Beratung im Rat. Das Gremium der mitgliedstaatlichen Umweltminister:innen konnte jedoch auch nach intensiven Verhandlungen keinen politischen Konsens finden, da unter ihnen eine kleine Gruppe vehement opponierte: Deutschland, Österreich und die Niederlande monierten mit Blick auf ihre nationalen Bodenschutzgesetze die Unvereinbarkeit des EU-Rechtsakts mit den Grundsätzen der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit, während Frankreich und Großbritannien überdies Bedenken hinsichtlich des bürokratischen Aufwands und entstehender Kosten geltend machten. Auch eine wesentlich abgeschwächte Version der Richtlinie, die im Verlauf der Verhandlungen von der Ratspräsidentschaft als Kompromiss offeriert wurde, vermochte die Ablehnung nicht zu durchbrechen. Aufgrund der Sperrminorität ließ sich die erforderliche qualifizierte Mehrheit bis zuletzt nicht erreichen, sodass der Legislativprozess gänzlich zum Erliegen kam. Nach ein paar zaghaften Wiederbelebungsversuchen in den Jahren 2008/2009 wurde der Vorschlag der Bodenrahmenrichtlinie von der Kommission schließlich am 21. Mai 2014 mangels Aussicht auf Erfolg offiziell zurückgezogen. Seitdem hat die EU-Bodenpolitik weitgehend geruht. Nun aber ist mit Veröffentlichung der überarbeiteten Bodenstrategie für 2030 durch die Kommission am 17. November eine weitere Runde im Kampf um den EU-weiten Bodenschutz eingeläutet worden.
Wesentliche Inhalte der neuen EU-Bodenstrategie
Die neue Bodenstrategie formuliert die übergeordnete „Vision“, dass sich bis zum Jahr 2050 alle Bodenökosysteme in der EU in einem gesunden Zustand befinden. Für den Weg bis dahin werden sodann einige mittel- und langfristige Unterziele (bis 2030 bzw. 2050) definiert, die mit anderen unionalen Umweltstrategien oder bereits bestehenden Sekundärrechtsakten korrelieren. Beispiele hierfür sind die Wiederherstellung bedeutender Gebiete mit geschädigten und kohlenstoffreichen Ökosystemen (einschließlich Böden) im Sinne der Biodiversitätsstrategie oder die anvisierte Nettotreibhausgasreduktion im LULUCF-Sektor von jährlich 310 Mio. t CO2-Äquivalent gemäß dem Überarbeitungsvorschlag der entsprechenden Verordnung (COM(2021) 554 final). Im Einklang mit dem Null-Schadstoff-Ziel ist anvisiert, die Bodenverschmutzung bis 2050 so weit zu reduzieren, „dass für Mensch und Umwelt keine Gefahr mehr besteht“. Damit erst gar keine Schadstoffe in den Boden gelangen, will die Kommission die Richtlinie über die nachhaltige Verwendung von Pestiziden überarbeiten und die Klärschlammrichtlinie evaluieren, die Verwendung von z.B. Mikroplastik oder bestimmter Kohlenstoffverbindungen (sog. PFAS) im Rahmen der REACH-VO beschränken, Risikobewertungsmethoden verbessern und die Anwendung der Verordnung über Düngeprodukte überprüfen. Die Strategie soll ferner den Gehalt an organischem Kohlenstoff in landwirtschaftlich genutzten Böden erhöhen, die Wüstenbildung bekämpfen, geschädigte Flächen und Böden sanieren und bis 2050 insgesamt dafür sorgen, dass alle Bodenökosysteme einen gesunden Zustand erreichen. Die Kommission würdigt dabei die Rolle der Böden als „Schlüssellösung für unsere großen Herausforderungen“, zuvörderst Klimaschutz bzw. -anpassung, Ressourcenschonung und Biodiversitätserhaltung. Für jeden dieser Teilbereiche werden konkrete Maßnahmen mit unterschiedlichem Verbindlichkeitsgrad vorgeschlagen. Als Beitrag zur Verwirklichung des Ziels der Klimaneutralität wird beispielsweise erwogen, im Zusammenhang mit dem „Gesetz zur Wiederherstellung der Natur“ die Drainage von Feuchtgebieten einzudämmen und die Rehydrierung bereits entwässerter Moorflächen mit rechtlichen Mitteln voranzutreiben. Ob hierfür „harte“ Ver- bzw. Gebote eingeführt werden sollen, die an die Torfproduzent:innen und andere Nutzer:innen adressiert sind, wird offengelassen.
Die nachhaltige Bodenbewirtschaftung ist neben dem klassischen Bodenschutz ein Schwerpunkt der Bodenstrategie. Diese soll „zur neuen Norm“ werden. Die kostenlose Bereitstellung von Bodentestungen für Landeigentümer:innen nach französischem Vorbild und die erleichterte Förderung schonenden Bodenmanagements im Rahmen der GAP sollen hierzu beitragen. Einzubetten sind diese Maßnahmen in einen bis 2023 geplanten Rechtsrahmen für ein nachhaltiges EU-Lebensmittelsystem. Abseits der Einführung verbindlicher Regelungen soll die nachhaltige Bodenbewirtschaftung auch durch freiwillig eingegangene Verpflichtungen zwischen den Akteur:innen des Lebensmittelsystems im Rahmen des „EU-Verhaltenskodex für verantwortungsvolle Unternehmens- und Marketingpraktiken in der Lebensmittelversorgung“ vorangetrieben werden.
Schließlich ist auch Teil der Strategie, das Wissen über den Boden zu vermehren. Dies ist in einem doppelten Sinne zu verstehen: Einerseits soll neues Wissen durch Forschung und Datenerhebung generiert werden. Hier sind insbesondere die EU-Bodenbeobachtungsstelle (EUSO), das Bodenüberwachungssystem LUCAS oder Copernicus, das Erdbeobachtungsprogramm der EU mit seinem Landüberwachungsdienst, zu nennen. Andererseits soll bereits bestehendes Wissen durch Kommunikation, Bildung und Bürger:innenbeteiligung verbreitet werden, um die gesamtgesellschaftliche Sensibilisierung für das Thema zu fördern.
Fazit zur Bodenstrategie und Ausblick auf das „EU-Bodengesundheitsgesetz“
Insgesamt präsentiert sich die neue Bodenstrategie der Kommission jedenfalls in der Theorie als ehrgeiziges Vorhaben, das konkret definierte, gut mit anderen Umweltinitiativen abgestimmte Ziele verfolgt und zu deren Erreichung verbindliche mit freiwilligen Maßnahmen kombiniert. Es bleibt jedoch abzuwarten, inwieweit sich die begrüßenswerten Ambitionen und insbesondere der Übergang zu einer Landwirtschaft unter dem Credo der Nachhaltigkeit gegen die gewichtigen Stimmen der Agrarlobby in der Praxis werden behaupten können.
Um die Stellung des Bodens im Unionsrecht zu stärken, soll bis 2023 – im Anschluss an eine Folgenabschätzung und eine Konsultation von Interessenträger:innen und Mitgliedstaaten – ein Vorschlag für ein neues europäisches „Bodengesundheitsgesetz“ vorliegen. Dieser Schritt erscheint mit Blick auf die Verwirklichung der Vision einer unionsweit guten Bodengesundheit bis 2050 unumgänglich, denn das Fehlen eines solchen spezifischen Rechtsrahmens steht mit der aktuell zu beobachtenden europäischen Bodenkrise in einem engen Zusammenhang. Außerdem haben in den Jahren, die seit dem ursprünglichen Entwurf vergangen sind, zahlreiche neue wissenschaftliche Erkenntnisse über die Verschlechterung der Bodenqualität und ihre negativen Folgen die Notwendigkeit eines gemeinsamen europäischen Rechtsrahmens belegt. Auch die (nicht offensichtlichen) grenzüberschreitenden Bezüge des Bodens, die sich einerseits aus dessen Wirkungsweise im Erdsystem, andererseits aus den Degradationsfolgen ergeben, sind mittlerweile besser erforscht und werden von der Kommission auch als solche erkannt.
Da juristisch keine Gründe gegen ein genuines EU-Bodenschutzrecht sprechen, bleibt dessen Verwirklichung letztlich eine politische Frage. Und hier dürften die Chancen diesmal – jedenfalls von deutscher Seite aus – deutlich besser stehen, denn die neue Bundesregierung verspricht im Koalitionsvertrag 2021-2025 (S. 41): „Auf EU-Ebene werden wir uns für einen verbesserten Schutz der Böden und verbindliche Regelungen einsetzen.“
Lorenz Strauch ist wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand an der Freien Universität Berlin (Lehrstuhl Prof. Dr. Calliess).